Das Handy ist ins Wasser gefallen – Wieso Reis nicht hilft!


Man passt einen Augenblick lang nicht auf und das teure Handy ist ins Wasser gefallen oder man schüttet ein Getränk über das Smartphone. Was kann man jetzt noch machen um das Gerät zu retten? Wieso rettet in der Regel ein Kurzschluss das Handy vor weiteren Schäden? Wieso ist es ein Irrglaube, dass Reis bei einem Wasserschaden hilft? Hier gibt es die Infos!

Wieso macht Wasser das Handy kaputt?

Wie viele aus dem Physikunterricht wissen, enthält Wasser das uns täglich umgibt, gelöste Mineralien, die der Flüssigkeit ihre Leitfähigkeit verleiht. Befindet sich eine leitfähige Flüssigkeit zwischen zwei Kontakten, dann entspricht die Flüssigkeit einem Widerstand, den man zwischen beiden Kontakten geschaltet hat. Die Folge ist, dass Signale verfälscht werden, am falschen Ort ankommen oder gar nicht erst gebildet werden können. Das würde das Gerät destabilisieren, macht es aber noch lange nicht kaputt.

Befindet sich eine leitende Flüssigkeit zwischen einer Strom-Versorgungsleitung und Ground / GND (auch Masse genannt), dann kann ein Kurzschluss stattfinden. Da Strom immer den Weg des geringsten Widerstands nimmt, wird der Strom über die Flüssigkeit zur GND-Leitung abgeführt. Dadurch werden anderen Chips im Gerät nicht mehr richtig mit Strom versorgt und können auch nicht richtig arbeiten. Das Gerät stürzt ab oder geht aus. Auch da ist erst einmal nichts gefährliches für das Handy. Der Kurzschluss würde nur den Akku entladen. Selten passiert es, dass Chips, die 1,5V versorgt werden, auf einmal 3,7V bekommen – das schadet tatsächlich dem Chip und kann ihn kaputtmachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist jedoch sehr gering. Problematischer ist allerdings, wenn Transistoren oder Mosfets falsche Signale bekommen und anfangen Strom zu leiten, wenn sie es nicht dürfen. Dadurch können tatsächlich Bauteile oder die Platine selbst beschädigt werden.

Aus meiner Sicht ist aber eine andere Art der Beschädigung viel schwerwiegender:

Die elektrochemische Korrosion.

Kommt eine leitende Flüssigkeit z.B. zwischen die Kontakte eines Bauteiles, fängt der Strom an zu fließen. Dabei Korrodieren die Kontakte. Bei einer Korrosion können zwei Probleme auftreten. Bauteile, die nicht leitend waren, wie z.B. Kondensatoren, fangen an Strom zu leiten. Oder Bauteile, die leitend waren, verlieren den Kontakt zur Leiterplatte und werden nichtleitend.

Im nachfolgenden Video wird ein solcher Wasserschaden simuliert. Hier wurde zwischen den Kontakten eines Kondensators eine Gleichspannung von 4V angelegt – ähnlich einer Spannung in einem Handy mit Li-Ion Akku. Auf den Kondensator wurde ein Tropfen Salzwasser appliziert. Im ersten Teil des Videos floss ein Strom von ca. 1A. Dieser Strom korrodierte vor Allem das unedle Metall des Kontaktes am Plus-Pol des Kondensators. Wie man im Video erkennen kann, verdunstet nach einer Weile die Feuchtigkeit, die entstandenen Salze rund um den Kondensator leiten aber weiterhin Strom. Im zweiten Schritt wurde ein zweiter Tropfen Salzwasser appliziert, der dann dazu führte, dass eine dauerhaft leitende Verbindung zwischen den beiden Polen hergestellt wurde – ein echter sehr gut leitender Kurzschluss ist entstanden.

Wieso hilft Reis nicht, wenn das Handy ins Wasser gefallen ist?

Nun, wie man im Video gesehen hat, ist das Wasser nach einer kurzen Zeit verdunstet. Allerdings leitete das mittlerweile etwas korrodierte Bauteil weiterhin Strom. Zwar mit einem Widerstand, der allerdings ausreichend wäre um Folgeschäden entstehen zu lassen. Diese Salze sind bereits nach wenigen Sekunden im Wasser entstanden. Durch das Einlegen in Reis verdunstet zwar das Wasser, die Salze bleiben aber weiterhin an den Kontakten und verursachen langsam aber sicher weitere Schäden an der Leiterplatte und an den Bauteilen. Etwas Ähnliches würde auch passieren, wenn Sie das Smartphone in einem Ofen trocknen würden. Nur dass während der Trocknung im Backofen eventuell weitere Schäden entstehen können. Auch können Schadstoffe aus dem Handy in den Ofen gelangen – in dem Sie ja weiterhin Lebensmittel zubereiten möchten! Deshalb warnen wir vor solchen Selbst-Reparatur-Versuchen.

Reis hat aber noch einen anderen negativen Effekt. Das Einlegen in Reis braucht Zeit. Von 6, 12, 24, 36 oder 48 Stunden wird im Internet berichtet. In der Zeit korrodieren die Bauteile des Gerätes weiter vor sich hin, man verliert wertvolle Zeit. Und was dann? Dann macht man das Handy an. Haben sich im Gerät bereits Kurzschlüsse gebildet, dann werden diese nun richtig mit Strom versorgt und verursachen nun weiteren Schaden. Und wenn das Handy nicht startet? Dann kommt das Handy ans Ladegerät, es kann ja sein, dass der Akku leer ist. Dadurch kommt es zu weiteren Schäden im Gerät.

Doch wieso ist dieser Mythos so verbreitet?

Weil er in den seltensten Fällen tatsächlich hilft, das Handy wieder einschalten zu können. Mit einer Reparatur hat es aber nichts zutun, da der Zustand oft nur temporär ist. Die angefressenen Bauteile können sich jeder Zeit von der Platine lösen. In der Regel wird aber durch das Einschalten des Gerätes bzw. das Anstecken des Ladegerätes weiterer Schaden verursacht!

Besser wäre es da schon das Handy z.B. in hochprozentigen Alkohol (Isopropanol) einzulegen.

Was ist das richtige Vorgehen, wenn das Handy ins Wasser gefallen ist?

Wichtig ist, dass die Stromzufuhr möglichst zügig unterbrochen wird. Dazu ist es notwendig den Akku des Gerätes herauszunehmen bzw. vom Gerät zu trennen. Auch wenn das Gerät scheinbar ausgeschaltet ist, sind einige Teile der Elektronik immer noch aktiv und mit Strom versorgt. Ist es nicht möglich den Akku zu entfernen, wie z.B. bei einem modernen iPhone, dann sollte das Gerät zumindest ausgeschaltet werden um die Schäden möglichst gering zu halten.

Im Labor öffnen wir zunächst das Gerät und entnehmen das Logic Board. Bei neueren iPhones löten wir auch Abschirmungen zwischen verschiedenen Sektionen auf dem Logic Board aus, damit wir die Bereiche einsehen können.

Anschließend erfolgt eine Inspektion des Logic Boards unter einem Mikroskop. So können schon mal schadhafte Stellen lokalisiert werden. Dann wird die Platine in einem Ultraschallreiniger bei 65°C mit der Reinigungslösung „Branson EC“ ca. 2 Minuten auf jeder Seite im „Sweep“-Modus gereinigt. Anschließend wird die Platine in 99% Isopropanol gewaschen und für 4 Stunden bei 50°C getrocknet.

Erst nach dieser Prozedur wird das Handy das erste Mal eingeschaltet. Sollte es nicht starten, dann wird nach dem Fehler gesucht. Die defekten Komponenten werden dann von Spender-Platinen entfernt und auf die Platine des Gerätes gelötet. Fehlende und korrodierte Leiterbahnen werden ersetzt, etc.

Selbstverständlich können Sie die gleiche Prozedur auch zu Hause durchführen. Ich weise aber jeden darauf hin, dass Lötarbeiten an einem Logic Board einiges an Fähigkeiten und Erfahrungen benötigen. Beim Reinigen der Platine sollte zudem kein Ultraschallreiniger für Schmuck verwendet werden, sondern ein industrieller Reiniger mit „Sweep“-Funktion, mit der die Frequenz zur Reinigung variiert. Ohne diese Funktion können am Board weitere Schäden verursacht werden. Verwenden Sie zur Reinigung eine passende Lösung mit destilliertem Wasser. Verwenden Sie keinen Alkohol im Ultraschallreiniger!!!!

Wasserschaden BER (Beyond Economical Repair)? Wann lohnt sich die Handy Reparatur?

Nachdem Sie unser Vorgehen bei einem Wasserschaden nun kennen, fragen Sie sich, wie teuer eine solche Behandlung ist. Nun das ist ganz unterschiedlich. Als Erfahrungswert kann ich sagen, dass sich eine Reparatur nur in den seltensten Fällen lohnt. Generell führen wir in unserem Labor nur Reparaturen an Handys oder Smartphones zur Datenrettung durch. Aus Erfahrungswerten würde ich sagen, dass sich eine Reparatur nur lohnt, wenn:

  1. Zur Datenrettung
  2. Das Smartphone einen Neupreis von über 700€ hat und unter einem Jahr alt ist
  3. Die Zeit zwischen Wasserschaden und Reparatur unter 6 Stunden beträgt
  4. Man bereit ist, trotz der hohen Kosten für die Reinigung und Reparatur mit Fehlern des Gerätes zu leben. Das sind z.B. weiße Flecken auf dem Bildschirm

In allen anderen Fällen lohnt sich die Reparatur aus ökonomischen Gründen nicht!

Wie sieht so ein Wasserschaden in der Realität aus?

Fall 1. zeigt die Bilder eines iPhone 4s, das in ein Glass Wasser gefallen ist. Das Handy ist sofort selbst ausgegangen. Das Handy wurde über Nacht zu Hause aufbewahrt und ist am nächsten Morgen in unser Labor zur Datenrettung gekommen.

Dieses Gerät wurde nach der Anleitung oben gereinigt und anschließend über ein Labor-Netzteil hochgefahren. Das Handy hat sofort normal funktioniert, eine Datenrettung war sofort ohne weitere Hilfsmittel möglich.

Fall 2. Zeigt ein iPhone 4, ebenfalls mit Wasserschaden. Das iPhone ist in ein See gefallen, die Besitzer haben das iPhone über eine Woche in Reis eingelegt und es anschließend zu uns ins Labor für eine Datenrettung gebracht.

Was an den Fotos sofort auffällt, sind die vielen Salze, die auf dem Board verteilt sind. Vor allem hat es den Battery Connector sehr schwer erwischt. Sowohl die Anschlüsse als auch die Leiterbahnen auf der Platine wurden durch die Korrosion komplett zerstört, wie auf den unter dem Mikroskop aufgenommenen Bildern zu sehen ist.

Selbst nach einer Ultraschall-Reinigung befinden sich noch Salze auf dem Board. Zahlreiche Anschlüsse kleiner SMD Bauteile sind komplett zerstört oder verrostet. Der Schaden an so einem Gerät ist enorm und erschwert die Datenrettung sehr. Die Daten von diesem Gerät konnten bisher nicht extrahiert werden.

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